Erhaben und unberührt

Blick auf Wald und Alpen
4. Mai 2022

Von der Zivilisation praktisch abgeschnitten und nur zu Fuß zu erreichen befindet sich in Dürrenstein, zwischen Ötscher und Ybbstaler Alpen der letzte Urwald Österreichs und zugleich einer der letzten Mitteleuropas. Das schwer zugängliche Gebiet von knapp 300 Hektar wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Albert Freiherr von Rothschild erworben und anstatt den Wald wirtschaftlich zu nutzen für seine Nachfahren unter Schutz gestellt.


Von den Nationalsozialisten enteignet, wurde der Wald gesetzlich unter Naturschutz gestellt und 1988, nachdem die Nachfahren des Freiherrn entschädigt worden waren, auf 576 Hektar erweitert. Ab 1991 wurde das Gebiet unter Förderung der Europäischen Union kontinuierlich auf aktuell rund 7000 Hektar ausgedehnt und 2017 von der UNESCO zu Österreichs erstem Weltnaturerbe ernannt.

Vor allem in dem ursprünglichen Kerngebiet, das der Ausgangspunkt für die besondere Geschichte dieses unberührten Fleckens Natur war, finden sich bis zu 1000 Jahre alte Bäume: Fichten, Tannen und Buchen, die in natürlicher Waldgemeinschaft gedeihen und selbst als Totholz zur Lebensgrundlage zahlreicher bedrohter Lebewesen werden: vom Alpenbock bis zum Weißrückenspecht, vom Alpensalamander und Alpenschneehuhn bis zu Luchs, Adler und Wildschweinrotte.

Im Unterwuchs von Bergahorn, Esche und Bergulme finden sich Alpendost, Eisenhut, Alpenampfer und Berg-Greiskraut. Insgesamt ist dieses große grüne Erbe Österreichs eine resiliente Welt hunderter verschiedener Pilze, Pflanzen und Tiere, die in dieser unberührten Natur Lebensraum und Rückzugsgebiet finden. Mehr als 600 Großpilzarten und tausende Kleinpilze wurden nachgewiesen, 36 Ameisenarten, seltene Käuze und bedrohte Spechte, aber auch Großraubtiere finden hier genügend Raum, um sich entfalten zu können. Nur wenige Menschen dürfen das Schutzgebiet betreten, doch im „Haus der Wildnis“ in Lunz am See, ist ein Zentrum für Natur, Bildung und Forschung entstanden, das zugleich auch Ausgangspunkt für ausgedehnte Wanderungen ist.

„Nur wenn wir den Menschen die Schönheit, Größe und Erhabenheit der Natur vermitteln können, dann werden wir auch unsere Umwelt als Lebensgrundlage erhalten können“, ist Dipl.Ing. Dr. Christoph Leditznig, Geschäftsführer der Schutzgebietsverwaltung überzeugt.

Mittlerweile ist das Gebiet sehr weitläufig. Große Teile dürfen nicht betreten werden und so konnte sich die Natur vom Menschen weitgehend unberührt entwickeln und in einen naturnahen Zustand zurückkehren. Viele andernorts bereits ausgestorbene oder verschollene Lebewesen, Pflanzen, Tiere und Pilze konnten hier überdauern oder sich wieder neu ansiedeln. Dadurch ist das Schutzgebiet zu einem Reservat der Biodiversität geworden und gehört zum einmaligen grünen Erbe Österreichs.