Skip to main content

Think global – act local: Nachhaltige Gärten braucht das Land!

10. August 2022


Zwei von fünf Österreichern nennen einen Garten ihr Eigen. Die Menge macht´s, denn der typische österreichische Garten ist nur rund 374 Quadratmeter groß, alle zusammen ergibt das etwa 1.325 Quadratkilometer kleinräumiger, grüner Vielfalt. Die Gartenbesitzer verlangen ihrem „Fleckerl Grün“ einiges ab: Die grüne Pracht soll wachsen und sprießen, aber nicht über den Kopf wachsen. Damit das klappt, wird kräftig gedüngt, gespritzt, gewässert, geschnitten und gemäht.


Doch kann so ein „funktionierender“ Garten auch noch natürlich sein? Und was sagen uns die Erkenntnisse rund um den Klimawandel dazu?

Wer sich mit der Zukunft im Garten- und Landschaftsbau beschäftigt, kommt nicht umhin, sich mit dem Thema „nachhaltige Gärten“ zu beschäftigen.

Ao. Univ. Prof. Dr. Rainer Haas, vom Institut für Marketing & Innovation der Universität für Bodenkultur Wien hat genau hingeschaut, wie es rund um das Thema „Garten und nachhaltiger Lebensstil“ aussieht. Dabei geht es auch um die Frage, was mögliche Beiträge der einzelnen österreichischen Gärtner sein können, um der Nachhaltigkeit diesseits und jenseits vom Gartenzaun Vorschub zu leisten.

Seine Empfehlungen sind ebenso einfach wie einleuchtend: „Konsequenter Verzicht auf Herbizide und Kunstdünger im Garten, damit fängt Nachhaltigkeit im Garten an. Und dann noch Offenheit für eine gewisse Selbstregulation. Die Natur im Garten liebt ihre selbstgemachte Ordnung. Auch wenn sich das im Auge des Betrachters auch schon mal etwas wild und sich selbst überlassen darstellt. Und einen Tipp hat er auch für uns parat: Macht Euch frei vom gärtnerischen Perfektionsgedanken, entsorgt ihn am Kompost!“

Im Interview mit Rainer Haas schauen wir gemeinsam in eine nachhaltige Gartenzukunft.

Was ist der Garten für den konsumierenden Menschen heute?

Der Garten wird als „eigenes Territorium“ verstanden, ist Rückzugsort, stiftet den Menschen Identität und gibt Sinn. Aktuelle Studien zeigen uns aber auch, dass 16% der Gärtner Stress mit ihrem Garten haben. Der Grund dafür liegt in den Normen und Konventionen in unserer Gesellschaft, besonders jenen der Nachbarschaft. Wenn nun ein Gartenbesitzer territorial nachhaltig garteln möchte, dann zeigt sich eine natürliche Artenvielfalt und die ist halt nicht immer konventionell. Da gibt’s oft auch Konflikte, weil ein Garten ordentlich und sauber zu sein hat, heißt es.

Wie können Gartenbesitzer damit umgehen?

Für nachhaltige Gärten brauchen wir mutige Gärtner, die mit Gruppendruck umgehen können und eine Vorbildrolle einnehmen. Wenn der Gedanke der Nachhaltigkeit im Garten greifen soll, dann brauchen wir Einheit in der Vielfalt – eine Community. So können wir das Potenzial der Gärten als Plattformen für die Grundprinzipien eines natürlichen Lebens in Vielfalt aktivieren.

Wo die Natur zuhause ist, spielt die Optik meist eine untergeordnete Rolle. Wie kommt das an bei den Menschen?

Nachweislich wirken sich natürliche Gärten positiv auf die Psyche aus, denn die ausgeglichene Balance der Natur erhöht den Erholungswert eines Gartens. Die Natur hat ihre eigene Ordnung. Wer das akzeptiert, gartelt vorbildlich, ohne Stress und konfliktfrei. Der Punkt ist: Wie sehe ich meinen Garten und jene der anderen?

 

Welche Chancen hat das „Edle Wilde“ in den Gärten? Welche Trends zeichnen sich ab, die Natur in Zukunft weniger in die Schranken zu weisen?

Heute steht der Garten noch vielerorts für die Herrschaft über die Natur und Domestizierung der Flora. Die Menschheit hat die Natur über Jahrtausende als Feind und Bedrohung erlebt. Jetzt haben wir die Chance, das zu ändern. Der Gärtner der Zukunft lebt mit dem Klimawandel, seinen Herausforderungen und Chancen. Dabei verzichtet er auf stark invasive Maßnahmen und setzt versuchsweise kleine Schritte. Dabei muss man sich aber bewusst sein; Wer im Garten die natürliche Vielfalt fördert, der fördert damit womöglich auch Arten, die man nicht so mag.

Was tun Sie selbst in Ihrem Garten für mehr Nachhaltigkeit?

In unserem Garten verzichten wir auf Herbizide, auf Kunstdünger und mähen – bis auf die Wege – nur zweimal im Jahr. Dazwischen lassen wir dem Garten seine Ruhe. Die Umstellung von einem konventionellen Garten auf Nachhaltigkeit dauert seine Zeit. Jahrelanges mineralisches Düngen und intensives Wässern hinterlassen ihre Spuren im Boden. Meist sind zu viele Nährstoffe da. Man muss der Natur die Zeit geben, mit Mangel umzugehen. Natürliche Gärten nämlich schaffen das. Wir fördern die Selbstregelung unseres Gartens und lege Beete mit trockenresistenten Pflanzen an. Dazu düngen wir den Boden organisch und sorgen dafür, dass genug Luft im Boden ist. Weil wir das wöchentliche Mähen stoppen und die natürliche Konkurrenz unter den Pflanzen zulassen, erhalten wir dafür ein neues Gartenleben.

Was raten Sie Gärtnern und Gartenbesitzern vor dem Hintergrund der Forschung und Ihrer persönlichen Erfahrungen?

Gärten können – in all ihrer Vielfalt – Bühnen der Nachhaltigkeit sein. Jeder, der sich auf sanfte Weise mit Gärten beschäftigt, ist Regisseur. Die Hauptrolle spielt die Natur selber. Es ist Zeit, die Perfektion am Kompostplatz zu deponieren, es ist Zeit für Mäh-Cancelling und Dünger-Diät. Dann kommt die neue Ordnung im Garten von selber. Es muss uns klar sein, dass die Natur ihre selbstgemachte Ordnung von sich aus herstellt. Wir haben im Garten für Grundbedingungen zu sorgen, die das ermöglichen. Beginnen wir doch damit aufzuhören, die Natur in enge Schranken zu weisen. Den Garten- und Landschaftsbaubetrieben kommt dabei eine zentrale Rolle zu: Mit den Kunden geltende Prinzipien hinterfragen und in der Einheit von Vielfalt neue Wege zu nachhaltigen Gärten gehen – das ist die nachhaltige Option und macht Sinn.

Danke für das Gespräch.