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Wieviel Innovation braucht der Garten?

Der Einsatz neuer Technologien in Verbindung mit der Begrünung verbauter Flächen gilt als eine entscheidende Säule im Kampf gegen den Klimawandel. Die zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist und bleibt: Wie sehr werden gerade Innovationen von Kunden nachgefragt? Ist die Dekarbonisierung im Gartenbau für den Konsumenten überhaupt relevant? Inwieweit sind (auch die öffentlichen) Auftraggeber bereit, den dafür nötigen Mehrpreis zu bezahlen? Wie kann die Kommunikation und damit auch der Verkauf von echten Innovationen gelingen?

Ressourcenschonung, Recyclingfähigkeit, Langlebigkeit und Umweltfreundlichkeit sind die entscheidenden Parameter der Zeit. Neue Technologien ermöglichen die Erschließung der Vertikale und die Gewinnung von Energie auf bisher ungenutzten Flächen ebenso wie die Ökologisierung von versiegelten Böden. Doch ob diese Themen in gleicher Weise von den Kunden im Garten- und Landschaftsbau nachgefragt werden würden, darüber ist sich die Diskussionsrunde uneins. Manche merken einen ganz klaren Trend zu kritischen Fragen und hin zum Wunsch von Produkten mit einem guten Fußabdruck, andere sehen diese Nachfrage nicht. Man vermutet schließlich den Hintergrund für diese Ambivalenz in mangelndem Wissen sowohl der privaten als auch der öffentlichen Auftraggeber. Denn während manche die Branche unkritisch als durch und durch „grün“, also als umweltfreundlich beurteilen und gar nicht ahnen, dass auch der Garten- und Landschaftsbau mit seinen Produkten und Dienstleistungen vor den gleichen umweltrelevanten Herausforderungen steht, gibt es andererseits Innovationen, deren umweltpolitische Relevanz und Bedeutung nur überaus schwierig kommuniziert werden könne. Raphael Rathmaner führt dazu das Beispiel „reduNOx“, einer echten Produktinnovation der Friedl Steinwerke an. reduNOx wirke wie ein Katalysator, der Stickoxide aus der Luft filtern und in wasserlösliches Nitrat umwandeln könne, zugleich habe es einen selbstreinigenden Effekt. Und dennoch würde diese Technologie derzeit kaum nachgefragt, was Verkaufsleiter Markus Pekovits bestätigt. Doch woran liegt das? Die Runde ist sich einig, dass sowohl der Vorteil als auch der Mehrpreis von Innovationen enorme kommunikative Herausforderungen mit sich bringt. Man müsse immer auf sehr einfache Weise verdeutlichen können, welche Anforderung (die der Konsument womöglich noch gar nicht kennen würde) mit einer Produktneuheit erfüllt werden könne. Das alleine sei schon schwierig genug und man würde, wie so oft, wieder bei Aufklärungsarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und Multiplikatoren landen. Denn eines sei auch klar: Jene Themen, die in der gesamten Medienbreite besprochen würden, seien immer auch ein Thema in Verkaufsgesprächen. Das merke man ganz klar an Beispielen wie „Bienensterben“ oder „Wasservergeudung“. Dieser Diagnose pflichteten alle in der Runde bei. Jeder der Diskussionsteilnehmer sei immer dann, wenn ein Thema im öffentlichen Diskurs aufgetaucht sei, stets auch bei Angebotsbesprechungen damit konfrontiert worden. 

 Doch die breite Öffentlichkeit habe gerade bei komplexen Themenstellungen auch eine negative Kehrseite. Denn sehr häufig werden schwierige Zusammenhänge auf eine einfache, leicht verständliche Formel gebracht und diese würde sich dann verselbstständigen. Dann würde in der Folge oftmals eine ursprüngliche Wahrheit bis zur Unkenntlichkeit verfälscht werden und eigentlich zu einem völlig verzerrten, aber medial oft sehr erfolgreichen Thema aufgebauscht. Davor seien manchmal weder Akademiker noch sogenannte „Qualitätsmedien“ sicher. Oft entwickeln sich so unhaltbare Legenden, die selbst dann nicht wahrer werden, wenn sie in der Öffentlichkeit entweder unwidersprochen blieben oder der Einspruch nicht mehr gehört werde. In jedem Fall würde die Kommunikation von komplexen Zusammenhängen und damit auch von Innovationen eine echte Herausforderung darstellen. Das würde man gerade bei den neuen Produkten sehen, die erfolgreich eingeführt werden. Dort sähe man auch den kommunikativen Aufwand, der dafür nötig sei. Und wenn sich dann das Produkt nicht langfristig und nachhaltig als erfolgreich erweist, führe das ganz generell zu einer größeren Vorsicht – sowohl beim Handwerker als auch beim Kunden. Als Beispiel wurden jene Gebinde angeführt, die sich bei der Verwendung des eigentlichen Produktes auflösen. Diese Neuheit sei zwar eine interessante Entwicklung, stelle aber besondere Anforderungen an die Lagerung. Dennoch spielen Innovationen im Garten- und Landschaftsbau eine ganz wichtige Rolle. Denn alle Maßnahmen, die aktuell im urbanen Raum gesetzt werden, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, erforderten neue Technologien und Materialien. Wir kämen beispielsweise nur in die Vertikale oder könnten nur dann Dächer und Fassaden begrünen und zugleich energietechnisch nutzen, wenn wir Produkte und Systeme exakt für diese Anwendungen entwickeln würden. Der Materialmix, der nötig sei, um die Stadt wieder grün zu machen, sei den meisten überhaupt nicht bewusst. Da gehe es um neue Systeme zur Abdichtung, Zuleitung von Nährstoffen, Ableitung von Wasser, statische Herausforderungen, die Berücksichtigung von spezifischen Kräften und einen enormen Technikeinsatz, um Pflanzen unter diesen besonderen Bedingungen am Leben halten zu können. Insofern gebe es gerade auch in der grünen Branche einen enormen Innovationsdruck. In dem Zusammenhang seien vor allem öffentliche Ausschreibungen für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung. Denn alle diese Entwicklungen erfordern ein umfangreiches und zugleich tiefgreifendes Vorwissen, damit auch echte Kostenwahrheit entstehen könne.  

TEXT Norbert Hintersteininger FOTOS www.kito.at